TietzelsTipp: Billy Summers von Stephen King

Billy Summers ist ein Auftragskiller, und gleich zu Anfang erfahren wir, dass er bereits siebzehn Menschen für Geld umgebracht hat. Kann man so einen sympathisch finden? Zunächst, bei den Vorbesprechungen für seinen nächsten Mord, akzeptiert man einfach, dass dieser Mann besonders gewitzt sein muss, denn es ist ihm gelungen, sich niemals schnappen zu lassen. Und sein jetziger Auftraggeber und dessen Kumpane sind gewiss nicht besonders liebenswert, und so ist man sofort auf Billys Seite. Und dann, da es zu seinen Aufgaben gehört, den richtigen Moment für die Tat abzuwarten, weil der Verbrecher der gekillt werden soll, erst noch ausgeliefert werden muss, und das alles dauert Monate, ändert man seine Haltung gegenüber diesem Killer. Man erlebt Billy, der in die Rolle eines neu zugezogenen netten Nachbarn schlüpfen muss, der vorgeben muss, ein Buch zu schreiben, über dessen Inhalt er nicht reden darf, als einen richtig netten Kerl. Und diese Sympathie für ihn verliert man nicht bis zum Schluss, egal was er macht und wie viele Menschen er noch töten wird.

Während er auf seinen Auftrag wartet, beginnt Billy tatsächlich, ein Buch zu schreiben und zwar über sein eigenes Leben. Da erfährt der Leser, welche frühkindlichen Erfahrungen seiner Laufbahn vorausgegangen sind und auch, dass er beim Militär als Scharfschütze ausgebildet wurde und im Irak-Krieg grausame Erfahrungen gemacht hat. Natürlich erhebt sich da beim Leser die Frage, was ein Mensch, der das alles durchgemacht hat, nach einem solchen Krieg eigentlich tun kann, um sich in die „normale“ Gesellschaft wieder einzugliedern. Sehr geschickt also verteidigt der Autor diese eigentlich perfide positive Darstellung seines Protagonisten.

Nach dem erfolgten Abschluss seiner Arbeit muss Billy fliehen, da man ihm selber nach dem Leben trachtet. Zufrieden verfolgt man, wie geschickt er sich aus der Schusslinie zieht. Als er dann noch Alice rettet, die von drei Männern unter Drogen gesetzt, missbraucht und aus dem Auto geworfen wird, möchte man wirklich nur noch, dass Billy alles gelingen möge, was er vorhat. Die Flucht vor den Verfolgern, die er jetzt gemeinsam mit Alice unternimmt und die zu seiner eigenen Verfolgung derjenigen wird, die ihn betrogen haben, ist wie die ganze unwahrscheinliche Geschichte wahnsinnig spannend.

Kings knappe, beschreibende Sprache deutet die Dinge so an, dass man ahnt, was passieren wird ohne, dass dies die Spannung minderte, im Gegenteil. Und bei all dem Furchtbaren, dessen Zeuge man wird, rührt der Autor doch nicht in den Wunden, hält sich nicht mehr als nötig damit auf. So kann man weiterlesen und muss sich nicht mit Grausen abwenden. Auch ist das Verhältnis von Alice und Billy von wunderbarer Zartheit und einem rührenden Vertrauen beschrieben. Der Schluss ist logisch, und man kann ihn akzeptieren. Siebenhundert Seiten voller Spannung. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal einen Autor wie Stephen King lesen würde!

Brigitte Tietzel

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