TietzelsTipp: Going Zero von Anthony McCarten

Das ist eine tolle, eine faszinierende Idee: zehn Menschen – fünf Profis, fünf „normale“ – sind ausgesucht, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt für 30 Tage „unsichtbar“ zu machen. Das heißt, sie müssen der geballten Überwachungs- und Aufspürmacht der Taskforce der Fusion Zentrale in Washington ein Schnippchen schlagen. Wer in dieser Zeit nicht aufgespürt wird, bekommt drei Millionen US Dollar. Wer aufgeschnappt wird, ist einfach aus dem Rennen. Gelingt das Kunststück tatsächlich jemandem, ist dieser so genannte Betatest gescheitert und Cy Baxter, der das digitale Imperium WorldShare und Fusion aufgebaut hat, verliert die Unterstützung von CIA, FBI und der amerikanischen Regierung, die ihm und seinem Unternehmen im Falle eines Sieges über alle Kandidaten die ungeheure Summe von 90 Millionen Dollar jährlich für zehn Jahre zahlen wird, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten durch die totale Überwachung aller dort Lebenden oder auch nur sich dort bewegenden Menschen zu gewährleisten,.

Dann gibt es diesen Moment, in dem es heißt: Go zero! Von allem Anfang an ist klar, dass sich das Hauptaugenmerk auf eine unauffällige Bibliothekarin richten wird, die am Anfang scheinbar so dilettantisch vorgeht, dass Cy sie als Allererste zu schnappen scheint. Aber so ist das nicht.

Obwohl die Verhältnisse in den USA, anders als bei uns in Deutschland, durch die digitale Vernetzung und fast flächendeckenden Überwachungskameras einem gewissenlosen Sicherheitsfanatiker wie Baxter in die Hände spielen, hat man doch als Leser einen gewissen Erwartungsvorbehalt: was ist mit den Menschen, die sich weitgehend „analog“ verhalten? Die nicht in den sozialen Netzwerken unterwegs sind? Tatsächlich sind das die Schwachstellen des ganzen Unternehmens, und der Autor spielt grandios mit den unerhörten Möglichkeiten einer digitalen Welt, in der Computer oder Fernseher zu Fallen umfunktioniert werden, wo Drohnen einen in jedem Winkel aufspüren können, wo der Chef seiner Zugriffsmannschaft in den verschiedenen Situationen durch eine virtuelle Brille folgen kann – und den wenigen Orten auf dieser, das heißt: der amerikanischen Welt, wo das alles mangels vorhandener Netze keine Wirkung hat.

Die Geschichte dieser Bibliothekarin, der es tatsächlich gelingt, Cy Baxter lange an der Nase herum zu führen, ist richtig spannend und wird durch verschiedene Volten, die aber sehr glaubwürdig sind, immer wieder aufs Neue in eine andere Richtung gewendet.

Die anderen Kandidaten, oder Zeros, wie man sie nennt, werden erwartungsgemäß nach und nach geschnappt, und am Ende ist es ein Zweikampf: die gute Bibliothekarin gegen den Bösewicht: Denn böse oder skrupellos, das ist Cy Baxter. Der bekommt durch sein Verhalten auch interne Schwierigkeiten, kann aber seinerseits das Blatt verschiedentlich wenden und direktes Unheil von sich abhalten. Der Schluss ist zunächst nicht ganz eindeutig. Es gibt keinen strahlenden Sieger, und das ist sehr glaubwürdig. Der Schluss ist tröstlich, aber es ist keineswegs alles wieder gut. Ein letzter Spielzug nach Ende des Spiels bleibt noch, und die „Bibliothekarin“ ist bereit, diesen zu tun. Mit ungewissem Ausgang. Oder?                                                                                              

Brigitte Tietzel

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..