10 Jahre Mediothek – Festschrift – Es war einmal…

Es war einmal….

…ein in die Jahre gekommener Bibliotheksbau, der zusätzlich zu den Büchern und Zettelkatalogen, für die er ursprünglich geplant war, immer mehr Materialien beherbergen musste: Kassetten, CDs, Videos und später DVDs, CD-ROMs und nicht zuletzt Computer-Arbeitsplätze für Kundschaft und Personal.

Wie so oft in Märchen mussten die Helden der (Krefelder Bibliotheks-)Geschichte mehrere Anläufe machen und einige Überzeugungsarbeit leisten, um eine Mehrheit im kommunalen Lande dafür zu gewinnen, Medien und Menschen ein neues Haus zu bauen, aber am 1. April 2008 wurde das Märchen wahr und die MEDIOTHEK der Krefelder Bevölkerung als „ihre“ neue Zentralbibliothek übergeben.

Helmut Schroers und sein Team taten für den und in dem Neubau das, was sie sich auch vorher -unter erheblich schlechteren Bedingungen- auf die Fahne geschrieben hatten: die Bibliothek zu einer Anlaufstelle für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft zu machen, die Entwicklungen des Medienmarktes zu verfolgen und die so gewonnenen Erkenntnisse in die Alltagsarbeit zu integrieren. Die Namensänderung von Stadtbücherei in Mediothek macht deutlich, dass im neuen Haus ein Medienmix das klassische Buchangebot ergänzt.

Neben dem Platzzuwachs und verbesserter Technikausstattung konnte und kann der Neubau punkten mit der barrierefreien Erschließung aller Ebenen, der stimmigen Inneneinrichtung und einem Team, das sich nach dem sehr gut besuchten „Tag der offenen Tür“ ab dem 1. April 2008 tapfer allen Herausforderungen stellte: die Umstellung der personalgestützten Verbuchung auf Selbstbedienung mit Hilfe der RFID-Technik bescherte Besucherinnen und Besuchern sowie Mediothekscrew manch bange Minute mit vielen Fragezeichen; die Außenrückgabe mit sporadischer Arbeitsverweigerung löste leichte Nervosität aus, zumal sie einige Kunden (bis heute) dazu animiert, mit dem Auto vorzufahren und noch vor Mitternacht fällige Medien pünktlich zurück zu geben. Wer in der ersten Woche nach Wiedereröffnung an den Service- und Info-Schreibtischen und an den Selbstbedienungsterminals Dienst getan hatte, vergisst die Mischung aus Euphorie und Strapaze nie – sprechen mochte samstags nach 14 Uhr niemand mehr…

Neben Rückgabemaschine und Selbstverbuchungsplätzen hielt ein Kassenautomat Einzug und bei aller Wertschätzung der technischen Unterstützung: immer wieder dürfen die Beschäftigten kleine Pannen beheben, mittelschwere Desaster bearbeiten und vor allem größere Katastrophen verhindern. Anders gesagt: mit Bezug des neuen Hauses kamen und kommen auf das Personal neue und neuartige Herausforderungen zu, deren Ende noch lange nicht absehbar ist, weil die sich die Geschwindigkeit des Wandels in nahezu allen Lebensbereichen enorm beschleunigt und die Veränderungen im Medienkonsum sowohl die Produktion in Buch- und Presse-Verlagen oder Musik- und Filmindustrie als auch die Bereitstellung und Nutzung zum Beispiel in Bibliotheken massiv beeinflussen.

Eine Gerätegeneration löst die vorherige in immer kürzeren Abständen ab, die Lebensdauer der jeweils zugehörigen Software verkürzt sich entsprechend oder verlagert sich vollständig ins Digitale. Das erfordert in der aktuellen Bibliotheksarbeit nicht nur die Erweiterung der im Team vorhandenen, sich ergänzenden Fähigkeiten sondern ein technisches Grundverständnis bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Gespür für die Relevanz von Themen und Trends, wie sie in den letzten Jahren vermehrt durch und in den ‚social media‘- Kanälen transportiert wurden.

Die frühzeitige Installation eines WLANs in der Mediothek erwies sich spätestens in der Hochphase des Zuzugs von Geflüchteten 2015 als richtige Entscheidung. Wenn sonst (noch) keine Medien genutzt werden konnten, so gab es hier immerhin eine Möglichkeit, den Kontakt in die Heimat zu halten.

Aufbau und Pflege der virtuellen Zweigstelle namens „Digithek“ gehört inzwischen genauso zu den selbstverständlichen Angeboten wie elektronische Nachschlagwerke oder via PressReader die Bereitstellung einiger tausend internationaler Zeitungen und Zeitschriften in den Originalsprachen.

Gaming-Aktivitäten, die weit über Einkauf und Verleih von Konsolenspielen hinausgehen, haben in den letzten vier Jahren Einzug gehalten und profitieren von der interesse-geleiteten Kompetenz, die im Team vorhanden ist.

Neben vielen neuen Inhalten, die den Bibliotheksalltag auch zukünftig mit bestimmen werden, steht die Mediothek Krefeld – als Einrichtung, die Kultur und Bildung aus einer Hand bietet – in der Tradition von Aufträgen, die aus meiner Sicht unverändert Bestand haben:

  • Wahrung des Grundrechts, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten zu können
  • Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben ermöglichen
  • Selbstbestimmtes Lernen und individuelle Lebensgestaltung unterstützen
  • Lese- und Sprachfähigkeit fördern.

Zwischen 2011 und 2016 hat das Engagement für das Lesen durch die fünfjährige Projektförderung der Sparkassen-Kulturstiftung Würdigung und erhebliche finanzielle Unterstützung erfahren:

insgesamt 250.000 Euro standen in der „Krefelder Lesetreppe“ für den Bestandsausbau und zielgruppenspezifische Aktionen sowie zur Erprobung neuer Veranstaltungsformate bereit. Die Erkenntnis, wie wichtig für die Lesefreude eine altersadäquate Ansprache von Kindern ist, mündete in der Wiedereinrichtung einer bibliothekspädagogischen (Halbtags-)Stelle, deren limitierter Stundenumfang den Wahrheitsgehalt folgender Erkenntnis exemplarisch spürbar macht:

„Die Ressourcen der Bibliothek sind endlich – die Forderungen, die an sie gestellt werden nicht.“ (Maximilian Lowisch in : Bibliotheksdienst 7/2017, S. 630)

Als eine Forderung, deren Dimension in der Planung unterschätzt wurde, entpuppte sich der Raumbedarf: schon bald erwiesen sich die Plätze in den Studios, die für Gruppenarbeit eingerichtet worden waren, als unterdimensioniert. Vor allem in Prüfungsvorbereitungszeiten streiften kleine Lerngruppen auf der Suche nach Arbeitsplätzen durch das Haus.

Seit der Eröffnung vor 10 Jahren belegt der Zahlenabgleich zwischen Besucher/innen und Entleiher/innen, dass durchgängig doppelt so viele Menschen das Haus besuchen wie entleihen und der Blick auf die Ausleihentwicklung zeigt, dass das Fazit der scheidenden Münsteraner Bibliotheksdirektorin Monika Rasche im Sommer 2017 auch für Krefeld gilt:

„Bücher machen die Bibliothek aus, aber die Existenzberechtigung ergibt sich, weil die Menschen hereinkommen, diesen Ort schätzen und offensichtlich auch brauchen.“

Die Umsetzung der unübersehbaren Raum-Forderung gelang im großen Stil 2016 und 2017, als nach einigen früheren Bestandsumstellungen erstmals grundlegende Veränderungen im Raumprogramm realisiert werden konnten: in Abstimmung mit dem erprobten Planungsteam, das schon die Aufstellung im Übergangsquartier optimal ausgetüftelt hatte, wurde durch das Krefelder Innenarchitekturbüro ukw die Ebene 5 (eine der drei größten zusammenhängenden Flächen) in eine Multifunktionsfläche verwandelt. Ausleihbare Medien sind auf der „Sonnendeck“ getauften Ebene noch vorhanden aber ebenso 35 neue Arbeitsplätze. Sie werden von einer Spiele- und einer Anlesezone flankiert, wodurch der Eindruck einer sterilen Arbeitsumgebung gar nicht erst entsteht.

Inzwischen bringen die Lernenden ihre Materialien auf mobilen Endgeräten mit und nutzen das WLAN aber immer weniger physische Medien.

Die stabilen Besucherzahlen (2017 wurden fast 220.000 Besuche registriert) belegen den seit 2014 zu beobachtenden Trend der Nutzung des Gebäudes „Mediothek“ als Ort des Lernens, der gemeinsamen Arbeit und des Treffpunkts parallel zum abnehmenden Bedürfnis nach Entleihung von Medien.

Die Änderung von Bedarfen bedingt die Anpassung der Angebote: so wandeln sich die klassischen Einführungen in die Bibliothek in differenzierte altersadäquate Vermittlungsformen von Bilderbuchkino-Vorführungen über Theater- und Musikangebote für Grundschulen bis hin zum Recherchetraining für die Facharbeitserstellung.

Die traditionell wichtigen Kontakte zu Schulen münden 2018 im ersten Medienfachtag, den das Krefelder Kompetenzteam für alle 70 Schulen der Stadt in der Mediothek veranstaltet.

Die Verstetigung dieser Kooperation und das Angebot, Lotsenfunktion in digitalen (Lern-) Welten zu übernehmen, wird eine der Zukunftsaufgaben des Hauses sein.

Die langjährig gewachsene Zusammenarbeit mit vorschulischen Einrichtungen, die seit Jahren erfolgreich vor allem mit den Literatur-Kitas praktiziert wird, bekommt im Jubiläumsjahr eine neue Facette durch die Beteiligung an dem NRW-weiten Pilotprojekt „Sprachschatz – Bibliothek und Kita Hand in Hand“. Unter Mitwirkung des Kommunalen Integrationszentrums werden Bausteine zur Sprachförderung und Medienerziehung entwickelt, die am Ende des Projekts zur Nachahmung empfohlen werden können. Bis 2019 läuft das vom Land finanzierte Projekt und die Mediothek ist eine von 6 ausgewählten Pilotbibliotheken.

Auf dem Weg in die zweite Dekade begleiten die Mediothek langjährige Partnerschaften, ohne die viele der Aktivitäten kaum durchführbar wären. Die Bedeutung eines aktiven und interessierten Fördervereins kann nicht genug gewürdigt werden, denn die personelle Unterstützung bei Flohmärkten und Präsentationen in der Innenstadt oder auf dem Familientag sind genauso wertvoll wie die finanziellen Zuwendungen.Gerade in der Zeit extrem knapper Mittel, die als Folge einer Haushaltsschieflage schmerzliche Einschnitte wie die Schließung der letzten Stadtteilbücherei in Uerdingen und Abschaffung des Bücherbusses erzwang, konnte die Mediothek auf die kreative Solidarität ihrer Unterstützer/innen bauen.

Das Engagement für den Shop, den die „Freunde und Förderer der Mediothek e.V.“ im Neubau installiert haben, trägt kontinuierlich (Einnahme-)Früchte und erforderte in der Zwischenzeit Umbau und Erweiterung des ursprünglichen Möbels.

Zu den verlässlichen Partnern gehört der Stamm der Vorlesepatinnen, die seit mehr als 10 Jahren im Auftrag der Mediothek regelmäßig „ihre“ Kita besuchen und dort „Werbung“ für das Buch machen. Für ihren Einsatz wurden sie mit dem Preis der Stadt Krefeld für „Bürgerschaftliches Engagement“ ausgezeichnet.

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Eine neue Kooperation hat 2018 zum Thema „MINT“ die Arbeit aufgenommen:

Drei Freiwillige (alle naturwissenschaftlich ausgebildet) bereiten einmal im Monat Mitmach-Aktionen für Kinder ab 10 vor, um die Bedeutung von Chemie, Physik, Biologie, Technik für den Alltag spielerisch zu vermitteln.

Die kommunale Vernetzung hat während der ersten Dekade enorm an Bedeutung gewonnen und bis heute wird der Veranstaltungsort Mediothek gern und oft genutzt für städtische Zwecke, bürgerschaftliche Angebote von Vereinen und Clubs und natürlich für Kooperationsveranstaltungen (nicht nur) mit Buchhandlungen. Es würde den Rahmen sprengen, alle Aktivitäten angemessen abzubilden, aber die Stichworte Theaterball, PlayIt-Tag, Sommerleseclub, Nacht der Bibliotheken, Literarischer Sommer stehen für regelmäßig wiederkehrende Angebote, die eine große Zahl an Besucher/innen erreichen. In diesem Kontext sind lieb gewonnene „Selbstverständlichkeiten“ des Hauses zu nennen:   die kleine Tiefgarage, sowie vor allem aber das Lesecafé, das zwischen Mediothek und Theater beiden Einrichtungen gute Dienste tut. Familie Coelen als Betreiber des Cafés wirkt an der Attraktivität des Ortes entscheidend mit.

Unbezahlbare Beiträge zur Wirkung des Gebäudes hat der Krefelder Künstler Hubertus Gojowczyk mit seinen Buch-Kunstwerken geleistet: während „Bücherfeld“ und „Büchersäule“ auf das Hauptmedium der Bibliotheken verweisen, verarbeitete er im „Stadtlabyrinth“ obsolet gewordene Katalogzettel. Traditionslinien werden zu Kunst veredelt und bleiben so im Gedächtnis – als Basis sich wandelnder Inhalte des Bibliotheksalltags.

Vermutlich wird sich in den kommenden Jahren die Bedeutungsverschiebung der Rolle Öffentlicher Bibliotheken fortsetzen: die immensen Möglichkeiten elektronischer Informationsbeschaffung werden den Anteil nachgefragter Sachliteratur weiter sinken lassen, aber um aus Informationen Wissen zu generieren, bleiben Gedankenaustausch und vertiefte Recherche notwendig. Hierfür bietet die Mediothek ebenso den Raum wie für die sozialen Bedürfnisse einer Stadtgesellschaft, in der die Zahl der Einpersonenhaushalte zunimmt und damit die Notwendigkeit von Aufenthaltsorten steigt, die zentral gelegen, ohne Konsumzwang, in angenehmer Atmosphäre ‚reale‘ Begegnung ermöglichen – als Gegenentwurf zur virtuellen Kommunikation.

Das Ziel, Sprach- und Leseförderung gerade im vorschulischen Bereich zu unterstützen, wird unvermindert wichtig bleiben, schon weil nur Verständigung gesellschaftlichen Sprengstoff entschärfen kann. Kindern unabhängig von Herkunft zu einem guten Start in die deutsche Sprache zu verhelfen, ohne dabei die Chancen von Sprachenvielfalt zu vernachlässigen, bleibt ein Dauerauftrag der (Kinder-) Bibliotheksarbeit, deren Gelingen sich weniger in Ausleihzahlen spiegelt als in der Nutzung bibliothekspädagogischer Angebote.

In der Bibliothek der Zukunft steht mehr denn je der Mensch im Mittelpunkt und wenn dieser statt eines Stapels von Büchern nun einen Stuhl samt Tisch und Internetanbindung braucht oder das Gespräch über die Mühen, sein Kind ans Lesen zu bringen oder Unterstützung im Umgang mit Demenzkranken durch geeignetes Material, dann wollen wir willens und bereit sein, Antworten zu finden und mit (Medien-)Angeboten zu helfen.

Die ersten zehn Jahre haben wir gemeinsam gut geschafft, für die nächsten zehn Jahre wünsche ich dem Haus, dem Kollegium und allen Besucherinnen und Besuchern, dass die nicht ganz neue Erkenntnis:

„Bibliotheken rechnen sich nicht, aber sie zahlen sich aus“  

den Entscheidungsträgern im Gedächtnis bleibt und den Menschen dieser Stadt ihr „Wohnzimmer“ Mediothek am Herzen weiterhin am Herzen liegt.

 

Dipl.-Bibl. Evelyn Buchholtz M.A., Leiterin der Mediothek Krefeld

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