Die Welt der fünfjährigen Meredith – es handelt sich um die autobiographische Beschreibung des Lebens der Autorin – bricht zusammen, als ihr Vater die Familie verlässt. Auch die Mutter verlässt die Kinder, Meredith und ihren jüngeren Bruder Matthew, wenn auch auf ganz andere Weise. Sie überlässt die beiden der Obhut der Großmutter und zieht sich in ihr Bett zurück, das sie die nächsten sieben Jahre nur noch sporadisch verlassen wird.
Obwohl Meredith einen regelrechten Schock bekommt, als sie begreift, dass der Vater, der doch gesagt hatte, er sei immer für sie da, tatsächlich weg gegangen ist, wird das Verhältnis zur Mutter zum eigentlichen Problem ihres jungen Lebens. Denn das Vertrauen zum Vater kann nach einigen Jahren wieder gewonnen werden.
Zunächst aber ist Meredith nach, der Trennung der Eltern, gänzlich auf sich gestellt. Die Mutter der Mutter, kümmert sich zwar um ihre Enkel, in so weit, dass sie nicht verhungern, aber sie bleibt unnahbar und gleichgültig den Kindern gegenüber, die unter dieser Gefühllosigkeit und Kälte leiden. Völlig unverständlicher Weise behandelt die Großmutter dagegen ihre Tochter mit unendlicher Nachsicht. Es scheint sie nicht zu bekümmern, dass diese ihre Kinder vernachlässigt und auf kranke Weise völlig aufgeht in egoistischem Selbstmitleid.
Allein der Großvater behütet die Kinder und hilft vor allem Meredith mit ihrer schrecklichen Situation umzugehen. Er ist ein kauziger alter Mann, der für seine Bienen lebt, und es gelingt ihm, Meredith die Angst vor den Insekten zu nehmen, die keineswegs gefährlich sind und nur im äußersten Notfall stechen. Das Mädchen lernt, Bienen zu beobachten und zu verstehen und findet Trost in deren sozialem Verhalten. Sie erfährt, wie viele verschiedene Funktionen die einzelnen Bienen ausüben: die Königin, die Drohnen, die Arbeiterinnen, die Ammenbienen, Wächterbienen oder Pfadfinderbienen. Sie begreift, dass alle Tiere in einem Stock zusammen gehören und für einander da sind. Hier findet sie das Ideal einer „Familie“, das sie sich für ihr eigenes Leben wünscht. Tatsächlich hat die Autorin nach dem Tod des Großvaters dessen letzten Bienenstock übernommen. Als schon erfolgreiche Journalistin kümmert sie sich jetzt um das Überleben der Bienen, die ihr einst geholfen haben, ihr eigenes trostloses Dasein zu überstehen. Dabei ist der Großvater, der den Kindern so viel Zuneigung und Fürsorge schenkt, nicht einmal deren leiblicher Großvater. Der richtige aber ist eine weitere Horrorfigur in diesem Panoptikum des familiären Grauens. Die Geschwister werden eines späten Tages erfahren, warum die Mutter so gestört ist, aber da ist einen Versöhnung bereits nicht mehr möglich, nur noch ein einigermaßen höfliches, distanziert freundliches Dulden dieser Mutter.
Die einzelnen Kapitel handeln von den schlimmen Episoden, die Meredith mit ihrer Familie erlebt und dem Trost, den sie aus dem Beobachten der Bienen zieht, die ihr immer wieder zeigen, dass andere soziale Lösungen möglich wären.
Brigitte Tietzel