Obwohl der Verlag das Werk als Roman anpreist, möchte man es doch lieber als eine Art Erfahrungsbericht lesen, aber das ist auch kein schönes Wort. Die Ich-Erzählerin, die im Buch Klara genannt wird, hat zu eindeutig, so will einem scheinen, Züge der Autorin, die ebenfalls als Deutsche aus dem wilden Berlin in das ruhige Utrecht gekommen ist. Und all die vielen, schönen, zum Teil lustigen, auf jeden Fall aber humorvoll beschriebenen Zusammenstöße einer Deutschen mit dem niederländischen Anderssein, hat eben sicher die Autorin genau so erlebt.
Dass Klara vor einer unmöglichen Liebe aus Berlin davongelaufen ist, in ein völlig neues Leben, von dem sie sich Freiheit von ihren Gefühlen und größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit erwartet, und dass sie gleich in eine neue, ebenfalls unmögliche Beziehung hinein tappt, das braucht man der Autorin natürlich nicht zu unterstellen. Aber das sind ausschmückende Details, die nur wenig vom Kern des Buches ablenken können.
Julia Trompeter beschreibt nicht nur den Frühling in Utrecht, sondern auch alle anderen Jahreszeiten und so gelingt es ihr, anhand der Rundreise durch ein ganzes Jahr in dieser Stadt, all die vielen kleinen Abweichungen und Besonderheiten zu beschreiben, die unsere Nachbarn von uns trennen. Sei es die recht unterschiedliche Einstellung zu Weihnachten, sei es das Erlebnis der Feierlichkeiten zum Koningsdag, sei es das besondere Totengedenken am 4. Mai, an dem um 20 Uhr für ein paar Minuten die holländische Welt still steht. Und bei allem erlebt die Klara des Romans die neue Welt zumeist positiv, weil sie das klugerweise auch so will. Und wenn dann doch klar wird, dass nicht alles so rosig ist, wie es ihr zunächst scheinen wollte, dann führt das nur zu einer noch größeren Bereitwilligkeit, das andere trotzdem tolerant zu akzeptieren.
Das gummiartige Brot, dessen Namensgleichheit mit dem deutschen Äquivalent niemanden täuschen sollte, ist beispielsweise gewöhnungsbedürftig und das beschreibt sie wundervoll und für jeden nachvollziehbar, der je in Holland Brötchen gegessen hat. Auch die Sprache ist trotz der offensichtlichen Ähnlichkeiten mit dem Deutschen, doch nicht ganz leicht zu erlernen in all seiner Feinheit. Das und vieles mehr zu sehen und zu begreifen, hilft Klara, ihre eigene Situation zu überdenken, zu analysieren und ganz zum Schluss auch ihre Probleme zu überwinden. Es ist ein Buch, das einen durch die kluge und interessante Gedankenwelt eines Menschen führt, der sich traut, die eingefahrenen Pfade seines Lebens zu verlassen, um auf neuen Wegen nicht nur Neues zu erleben, sondern am Ende voller Gewissheit zu sich selber zu finden.
Brigitte Tietzel