So oder ähnlich klang es mir entgegen, als ich meine erste und auch die späteren Reisen in den Iran plante. Für das Jahr 2011 waren eigentlich 14 Tage Syrien geplant, wobei sich die Pläne Anfang 2011 durch den Ausbruch des Bürgerkriegs recht schnell zerschlugen. Im Jahr zuvor hatte ich auf einer Rundreise Jordanien und Syrien kennengelernt und war von der kulturellen Vielfalt und der Gastfreundlichkeit der Menschen im Nahen Osten begeistert. Leider gibt es das Syrien, wo Muslime, Christen und Juden friedlich nebeneinander leben, heute so nicht mehr und ich bin dankbar, dass ich einen Blick darauf werfen durfte, bevor Tod, Leid und Zerstörung über dieses interessante Land hereingebrochen sind. Es war der erste Kontakt zu einer so andersartigen Kultur und davon zehre ich bis heute.
Der Wunsch, den Nahen Osten kennenzulernen, bestand jedoch weiterhin und ich verbrachte einige Zeit mit Reiseführern aus der Mediothek, um mir ein neues Ziel zu suchen. Doch warum fiel meine Wahl schließlich auf den Iran? Die Antwort kann man nicht in einen Satz fassen. Zum einen besitzt der Iran eine unglaubliche kulturelle und ja, religiöse Vielfalt, mit mehr UNESCO-Weltkulturerbestätten als viele andere Länder. Zum anderen war es schlicht meine Neugier ein Land kennenzulernen, über das man in den Nachrichten nur wenig erfuhr und wenn, war und ist es in der Regel nichts Gutes.

Die Islamische Revolution 1979, die damit verbundene Vertreibung des Schahs und die Besetzung der amerikanischen Botschaft prägen bis heute unser Bild eines sehr widersprüchlichen Landes, der Islamischen Republik Iran. Ein religiöses Regime, das versucht das (Alltags-) Leben der Menschen dort bis hinter die häuslichen Mauern zu durchdringen und die Menschen, die jede Möglichkeit nutzen, diese Regeln mit allen möglichen Tricks zu umgehen. Ob es geheime, wilde Privat-Partys junger Leute sind, selbst gebrannter Schnaps, selbst gebrautes Bier oder das Ablegen des Schleiers in der Öffentlichkeit, wenn man sich mehr oder weniger unbeobachtet fühlt. Alles ist mit dem Risiko verbunden, für Dinge im Gefängnis zu landen, die hier selbstverständlich sind.
So saß ich denn an einem Oktobertag des Jahres 2011 im Flugzeug der Iran Air von Frankfurt in Richtung Teheran. Aufgrund der Bekleidungsvorschriften für Frauen waren genügend Kopftücher und gedeckte Kleidung im Gepäck. Touristinnen haben sich an die Bekleidungsvorschriften im Iran zu halten, wenn auch nicht so streng wie die eigenen Bürgerinnen. Aber schon der Flug wäre eine Geschichte wert: das Gate am hintersten Ende von Terminal 2 am Frankfurter Flughafen, ein Airbus A 340 mit mehr als 35 Jahren „Flugerfahrung“, eine Zwischenlandung in Wien zum Auftanken, da Iran Air durch verschiedene Embargos kein Kerosin in Frankfurt tanken konnte und letztendlich ein paar seltsame Geräusche während des Fluges, die den Flugkapitän und den Ingenieur zu einer unplanmäßigen Visite in der Passagierkabine bewegten. Im Übrigen war die Verpflegung an Bord besser als bei den meisten anderen Fluggesellschaften. Der Duft von Kebab, einem iranischen Fleischgericht, liegt bei Betreten eines iranischen Flugzeuges immer in der Luft.
Aber bevor ich hier schließe: die einzigen Frauen die in einem iranischen Flugzeug Kopftuch tragen, sind in der Regel ausländische Touristinnen, was sich erst mit der Landung in Teheran schlagartig ändert …
Wer nun bei der Einreise in den Iran strenge Kontrollen erwartet, denjenigen muss ich leider enttäuschen. Die Zollbeamten sind zwar nicht besonders gesprächig, aber nach kurzer Pass- und Visakontrolle steht einer Einreise normalerweise nichts mehr entgegen.
Da die Flugzeuge von Iran Air aus Deutschland erst am späten Abend in Mehrabad landen, ist auf der einstündigen Fahrt nach Teheran bis auf das stark illuminierte Mausoleum von Imam Khomeini, nicht sehr viel zu sehen.

Teheran mit seinen ca. 16 Millionen Einwohnern leidet unter starker Luftverschmutzung, was durch die geografische Lage am Fuß des Elburs-Gebirges noch begünstigt wird. Es gibt keinen TÜV und das was an Autos umherfährt, hat meist das Haltbarkeitsdatum um Jahrzehnte überschritten. Auch dies ist eine Folge der verhängten Embargos. Auf jeden Fall macht es jede Taxifahrt zum Abenteuer und wer schon einmal in einem Trabant gesessen hat, kann sich ungefähr vorstellen, wie sich das anfühlt. Der Verkehr ist in jeder größeren iranischen Stadt ziemlich abenteuerlich und die Rate der Verkehrstoten demgemäß hoch.
An den ersten Morgen in Teheran erinnere ich mich noch gut. Da wir erst spät angekommen waren, hatte ich entsprechend Hunger und war neugierig auf das Frühstück. Es war etwas von dem, was man von zu Hause gewohnt ist, im Angebot, aber die Iraner essen zum Frühstück gerne warm und eher Dinge, die uns an Mittagessen erinnern. Somit wurden Fladenbrot mit weißem Käse, Tomaten und Eier in verschiedenen Aggregatzuständen für die nächsten zwei Wochen zu meinem regelmäßigen Start in den Tag. Und eine Spezialität verfolgt einen egal wo man im Iran i(s)st: Möhrenmarmelade.
Nicht, dass ich die iranische Küche nicht mag. Ganz im Gegenteil. Sie ist anders als die arabische Küche und steht meiner Meinung nach eher der indischen nah. Sie ist würzig, aber nicht überwürzt oder sehr scharf. Und Safran ist aus der iranischen Küche nicht wegzudenken. Da im Nord-Iran auch Reis angebaut wird, gibt es Reis als Beilage und oder auch als Hauptgericht in verschiedensten Variationen. Die abendlichen Restaurantbesuche waren immer wieder ein neues Geschmackserlebnis.

Diese, meine erste, Reise führte mich auf der klassischen Südroute durch den Iran. Dort liegen die großen Sehenswürdigkeiten wie Persepolis, Isfahan oder Pasargadae mit dem Grabmal des Kyros, Shiraz und Yazd mit seinen Windtürmen und Lehmhäusern. Und nicht zu vergessen die Basare, deren viele Gänge mir wie ein Irrgarten vorkamen und in denen ich Angst hatte, mich zu verirren. Leider findet man immer weniger Handwerk und immer mehr billige Waren aus China. Dies kommt natürlich den Iranern, die unter einer ständig steigenden Inflationsrate leiden, entgegen. Jedoch geht dadurch auch der eigentliche Charakter der Basare zunehmend verloren. Zudem geraten sie durch große Supermärkte, wie sie auch bei uns auf der grünen Wiese entstehen, mehr und mehr unter Druck. Trotzdem habe ich immer einige schöne Reiseandenken mitgebracht und – wie sollte es anders sein – hatte ich beim ersten Mal auf dem Rückweg auch einen Teppich im Gepäck.


Bei meiner ersten Iran-Reise bin ich auf der klassischen Südroute unterwegs gewesen. Dies ist in der Regel die meist bereiste Strecke und man findet die Tour in den Katalogen bekannter Reiseveranstalter. Außerdem es ist ein guter Weg, den Iran und seine kulturellen Schätze kennenzulernen. Meine Neugier war jedoch noch nicht gestillt und dies führte seit 2011 zu drei weiteren Reisen in den Iran.
Die zweite Reise ging in den Norden, ans Kaspische Meer und bis an die iranisch-armenische Grenze. Der Norden ist im Gegensatz zum Süden sehr grün und dort findet man auch Irans Reisanbaugebiete. Dies ist bedingt durch das Elbursgebirge, dass die Regenwolken im Norden festhält und somit zu einem feucht-warmen Klima führt. Auch im nördlichen Teil befindet sich eine der schlimmsten Umweltkatastrophen des Iran: der Urmia-See, größter Binnensee des Landes. Durch Klimaveränderungen und das Aufstauung von Zuflüssen fast ausgetrocknet, ist er nur noch ein Schatten seiner früheren Größe. Verlassene Hotels zeugen von ehemals regem Tourismus und die Schäden für die Landwirtschaft sind immens. Leider spielt der Umweltschutz im Iran noch eine geringe Rolle, aber es gibt erste Ansätze beim Einsatz von erneuerbaren Energien. Doch bedingt durch den ständig steigenden Energiebedarf verlässt man sich lieber auf die Stromerzeugung durch Atomkraft.





Vor vier Jahren hatte ich dann die Gelegenheit, Aschura im Iran zu erleben. Der Aschura-Tag ist der wichtigste Feiertag für schiitische Muslime, deren islamische Glaubensrichtung die Mehrheit im Iran stellt. Es wird des 3. Imams Hussein gedacht, der während der Schlacht von Kerbala den Märtyrentod starb. Es gibt an diesem Tag Prozessionen und Veranstaltungen in den Moscheen und unsere Reisegruppe hatte das Glück, dabei sein zu dürfen. Wir waren in eine Moschee eingeladen und auch bei einer großen Prozession in Teheran konnten wir zuschauen. Von der uns entgegengebrachten Gastfreundschaft waren wir überwältigt und die Neugier und Offenheit der Menschen ist vielleicht hier nur schwer vorstellbar. Ähnliches hatten wir zuvor in Mashad erlebt, wo sich der Schrein des Imam Hussein als größtes Heiligtum der schiitischen Muslime befindet. Es handelt sich dabei um eine riesige Anlage mit mehreren Innenplätzen, wo sich auch eine Universität und eine der größten Bibliotheken des Iran befindet. Wir wurden während des mehrtägigen Aufenthaltes in Mashad von einem Vertreter der Verwaltung des Heiligtums begleitet, der einiges für uns möglich machte und der natürlich auch auf uns „aufpasste“. Der Innenhof mit dem Zugang zum eigentlichen Schrein ist eigentlich nur für Muslime zugänglich. Er nahm unsere Gruppe jedoch mit hinein und wir wurden von den dort wartenden Gläubigen einfach integriert, obwohl wir durch unsere Kleidung eigentlich immer als westliche Besucher erkennbar waren. Es gab kleine Geschenke in Form von Obst oder Nüssen oder auch nur ein Lächeln. Wir bekamen Einladungen zum Abendessen von verschiedenen Institutionen und auf unseren Wunsch hin Zugang zu der großen Bibliothek des Heiligtums. Das uns der Direktor der Bibliothek durch die Räumlichkeiten führte und ein Kameramann dabei anwesend war, sei nur am Rande erwähnt. Westliche Besucher in den weniger touristisch erschlossenen Gegenden des Iran stoßen öfters auf allgemeines Interesse, dies war daher nicht so ungewöhnlich. Auf meiner ersten Reise tauchte plötzlich ein Reporter einer örtlichen Tageszeitung während einer Pause in unseren Bus auf, fragte nach dem woher und wohin und machte ein paar Fotos von unserer Gruppe. Wir waren wohl die Sensation des Tages in der kleinen Stadt. Auch so sind die Iraner immer sehr neugierig auf alles Fremde. Es ist nicht ungewöhnlich, während einer Besichtigung spontan um ein Foto zusammen mit der Familie gebeten zu werden, oder auch einfach ein Kind für ein Foto auf den Schoß gesetzt zu bekommen.

Natürlich handelt es sich beim Iran um ein repressives, religiöses Regime und dies war und ist mir auch bei jeder meiner Reisen bewusst. Genauso wichtig ist aber die Begegnung mit den Menschen, die tagtäglich damit leben müssen.
Bis bald,
eure Petra Sturk