Hallo Leute,
wenn ihr irgendwie bibliotheksaffin seid und aus Deutschland kommt, dann habt ihr in den letzten Jahren ganz sicher etwas von der neuen Bibliothek im dänischen Aarhus gehört, oder? Da dort viele neue Konzepte und Ideen umgesetzt wurden, die wir auch ganz gern in deutschen Bibliotheken sehen würden, gilt Aarhus so ein bisschen als Ideal und als Vorzeigebibliothek. Deshalb fahren auch ständig Kollegen dorthin und deshalb taucht das Haus auch in nahezu jeder bibliothekarischen Fachzeitschrift auf. Und mit was? Mit Recht! Ich war auch schon zwei Mal dort und ja, das Dingen ist beeindruckend.
Für mich ein Highlight – die Stadtbibliothek Malmö
Es ist ja so, die meisten Menschen, die in Bibliotheken arbeiten, können es auch in ihren Urlauben nicht lassen, sich die Bibliothek am Urlaubsort anzusehen, scheint so eine Art Berufskrankheit zu sein. Mein Besuch in der Stadtbibliothek Malmö vor einigen Wochen war allerdings ein ganz bewusstes Unterfangen, er war nämlich der Grund der Reise. Aber, der Reihe nach. Vor zwei oder drei Jahren habe ich eine Nordtour gemacht, als alter Schiffsfotograf und Mensch der das Meer liebt, bin ich einfach mal in Richtung Norden gefahren und habe geschaut, wo es mich wohl hinverschlägt. Nun, einmal in Dänemark war klar, Du musst dir die Bibliothek in Aarhus anschauen, schließlich sprechen ALLE davon. Habe ich gemacht, war beeindruckt, aber meine Reise ging weiter. Ich wollte einmal über die Öresundbrücke fahren und so bin ich von Göteborg aus an der schwedischen Küste bis nach Malmö gefahren. Von dort quert die Brücke den Öresund und landet auf dänischer Seite in Kopenhagen.
Kennt ihr Murphy’s Law, was schief gehen kann, geht schief? Nun ja, als ich aus dem Hotelfenster geschaut habe, gab es aufliegenden Bodennebel und hey, wenn ich schon mal über diese Brücke fahre, dann ja sicher nicht im Nebel. Also, warum nicht eine Nacht dranhängen und es Morgen probieren. Gesagt, getan und somit einen ganzen Tag in Malmö gewonnen. Und dann kam er eben doch durch, der Bibliotheksmensch. Also, nix wie auf zur Bibliothek. Was soll ich sagen, ich war begeistert, so begeistert, dass ich mir gesagt habe, hier kommst du nochmal her, nimmst Dir Zeit und machst vielleicht nen Termin mit dem Personal aus und lässt dir mal die Bibliothek erklären.
Stadtbibliothek Malmö – März 2018
Im März war die Bibliothek also keine Notlösung, sondern ein direktes Ziel. Spannend ist, alle reden über Aarhus, ich ganz persönlich, finde die Bibliothek im schwedischen Malmö viel schöner. Es fängt schon außen an, man hat dort Altes mit Neuem kombiniert. Auf der einen Seite ist die Bibliothek ein Schloss, auf der anderen ein Glaskubus.
Aber es ist nicht nur das Äußere, was mich so fasziniert, es ist das, was darin passiert. Ich habe drei lange Gespräche mit schwedischen Kolleginnen und Kollegen geführt und mir ein bisschen das Konzept und die Ideen erklären lassen. Natürlich, ähnlich wie bei uns auch, wird die Bibliothek immer mehr zu einem Ort. Ein sehr gutes Beispiel ist meiner Meinung nach die Kinderbibliothek. Mittels „Design Thinking“ und Bürgerbeteiligung waren hier die Kinder, also die zukünftigen Nutzer, direkt in die Planungen mit eingebunden. Herausgekommen ist eine Baumbibliothek 😉 und viele Räume, die sich um diesen „Wald“ herumgruppieren.
Viele Rückzugsmöglichkeiten, Klettergerüste, Höhlen und immer wieder pfiffige Detaillösungen machen die Räume aus. Man hat den Buchbestand in der Kinderbibliothek drastisch reduziert, die Medien thematisch zusammengestellt und dadurch die Ausleihquote stark erhöht. Es geht also nicht mehr darum, möglichst viele Kinderbücher in viele Regalmeter zu quetschen, sondern ein thematisches Leseerlebnis zu bieten. Übrigens gilt hier: Schuhe aus! Die Bibliothek ist unser Wohnzimmer ;). Wie gesagt, Detaillösungen, das man eine Treppe an die Info stellt, damit die Kiddies auf Augenhöhe sind ist nur eine Kleinigkeit….aber eine mit Wirkung.
Die Stimmung, die ich dort mitbekommen habe war sehr, hm, familiär vielleicht? Auf jeden Fall saßen viele Eltern mit ihren Kindern dort, haben gespielt oder vorgelesen und man fühlte sich sofort wohl. Auch die Idee, die Mitarbeiter mit Kinderfotos vorzustellen finde ich ziemlich klasse.
Wenn man aus der Bibliothek einen Ort machen möchte, an dem man sich gern und lange aufhält, ist es ja nur logisch, dass man sich da auch mal was zu Essen warm machen kann. Fällt in der einen oder anderen Bibliothek der Bibliothekar noch in Ohnmacht, wenn jemand eine Wasserflasche aufmacht, stört es hier keinen, wenn man sich ne Suppe oder das Fläschchen warm macht. Irgendwie auch nur konsequent.
Aber nicht nur bei den Kindern findet sich vor allem Raum und Platz, auch die anderen Nutzer finden Selbstlernplätze, Skypeecken und Lernräume. Als ich vor Ort war, fand gerade ein Anfängerkurs Schwedisch für Flüchtlinge statt, die Aufgaben der Bibliothek unterscheiden sich also kaum von denen hier bei uns.
Im Bereich der Jugendlichen fällt auch auf, dass zum einen viel Platz vorhanden ist, zum anderen aber mehrere abgetrennte Räume, in denen etwa musiziert, gelernt oder etwas am 3D Drucker ausgedruckt werden kann. Allerdings ist auch in Malmö nicht alles Gold, was glänzt. In den Gesprächen war schon auch rauszuhören, dass an vielen Stellen Gelder gekürzt worden sind und man sich oft allein gelassen fühlt mit neuen Herausforderungen. Man hat viel Aufwand betrieben um die Bibliothek so zu erstellen wie sie ist, um das Ganze am Laufen zu halten und gegebenenfalls auszubauen müssen wieder dicke Bretter gebohrt werden. Spätestens hier haben wir dann wieder eine Gemeinsamkeit mit vielen Stellen im deutschen Bibliothekswesen.
Nichtsdestotrotz lohnt es sich, einfach mal durch die Bibliothek zu laufen und sich einzelne Details und Ideen anzuschauen. Das in einer schwedischen Bibliothek das Thema „Design“ recht weit vorne ist, ist ja irgendwie auch klar, oder?
Also, wenn ihr mal in der Nähe seid, schaut Euch die Stadtbibliothek an. Das geht übrigens auch an einem Sonntag 😉 . Der Kontrast zwischen dem alten Gebäude und dem neuen Teil, die pfiffigen Ideen, die spannenden Umsetzungen und vor allem die sehr ansprechende Atmosphäre machen einen Besuch auf jeden Fall sehr lohnend. Und wenn ihr Euch bisschen dafür interessiert, wie die Planungen aussahen, was die Kinder mit den Architekten zu tun hatten und warum man dort einfach sehr gern Nutzer und Mitarbeiter ist, dann sprecht die Menschen dort an, ich habe durchweg positive Reaktionen von sehr auskunftsfreudigen Schweden bekommen.
Wenn ihr noch Fragen habt, die ich dann hoffentlich beantworten kann, nur keine Scheu, einfach in die Kommentare schreiben.
Euer Martin
Sehr schöner Beitrag! Danke! Vielleicht finden sich ja Nachahmer und machen viele schöne Fotos von vielen schönen und pfiffigen Bibliotheksideen. Äh, gibt es schon einen Blog/Seite mit Fotos von tollen Bibliotheksideen? Wo ist sie? Wer macht sie? Ich mach gern mit 🙂
LG G. Bretschneider