Das Leben der Frieda von Bülow
Sofort denkt man an Tania Blixen, und der Buchrücken nennt deren Namen auch direkt. Aber das bringt eine falsche Assoziation, denn die beiden Frauen, Tania Blixen und Frieda von Bülow, könnten in ihrem Verhältnis zu Afrika und auch sonst nicht unterschiedlicher sein. Auch scheint der Untertitel in die Irre zu führen. Hier steht keineswegs das Leben der Frieda von Bülow im Mittelpunkt, sondern die ebenso gewagten wie erstaunlich bornierten Unternehmungen des Carl Peters, eines Privatdozenten der Philosophie ohne Anstellung, der Schopenhauer zu widerlegen glaubt; der das Erbe eines reichen Onkels in England mit der Begründung ausschlägt, er sei Deutscher. Ein Mann, der mit eisernem Willen und wider alle Vernunft sich in den Kopf gesetzt hat, deutsche Kolonien in Ostafrika zu erwerben und dem das auch gelingt.
Dem nun folgt Frieda von Bülow nach Afrika, mit Ende 20 bereits ein spätes Mädchen, dazu nicht besonders hübsch und von verarmtem Adel. Sie erkennt eine tiefgehende Seelenverwandtschaft mit Peters, und er bestärkt sie darin. Einige schnelle Kurse machen sie zu einer provisorischen Krankenschwester und so reist sie nach Sansibar, wo sich Peters aufhält, im Auftrag des von ihr selbst gegründeten Frauenbundes, der sich um die Gesundheit in den Kolonien kümmern möchte. Sie hofft allerdings auf mehr. Aber die Seelengemeinschaft mit Peters reicht lediglich für eine gemeinsam verbrachte Nacht. Er wird sie nicht heiraten. Frieda wird vom Frauenbund wegen ihres unschicklichen Verhaltens ausgestoßen. Sie kehrt erst nach Deutschland zurück, dann nach Afrika, auf eine kleine Insel, die ihr Bruder einst kaufte, um dort eine Farm zu gründen. Jetzt hat sie diese geerbt. Denn er ist tot. Viele sterben bei dem Versuch, sich in Afrika als Herren aufzuspielen. Auch Frieda scheitert. Und kehrt endgültig zurück.
Der eigentliche Reiz des Buches liegt in der Fülle der Ereignisse, in der Beschreibung der wilden und ungeordneten Eroberungen. In der Konfrontation dieser unterschiedlichen Männer, naiv die einen, die Deutschen, arrogant die anderen, die Engländer, und dann die Einheimischen mit ihrer völligen anderen Sicht der Welt. Es ergeben sich die erstaunlichsten Kombinationen von Freundschaften und Feindschaften bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Hinzu kommt ein Klima, dem nahezu alle Europäer Tribut zollen müssen. Da alle erwähnten Personen tatsächlich gelebt haben und ihre Taten durch Schriften aller Art belegt sind, ist das eine Beschreibung der Eroberungsaktivitäten am Ende des 19. Jahrhunderts, die gerade, weil sie romanhaft daher kommt, ungeheuer interessant ist, dazu mit Witz und ironischer Distanz geschrieben, eine Freude zu lesen!
Frieda von Bülow hat zu ihrer Zeit sehr erfolgreiche Romane geschrieben, „Frauenromane“ wie es heißt, in denen sie ihre unglückliche Liebe und ihre afrikanischen Erfahrungen verarbeitete. Erstaunlicherweise hat Carl Peters alle seine Afrikaexpeditionen überlebt. Noch vor ihrem Tod, 1909, muss Frieda erfahren, dass er eine andere heiraten wird. Aber als „Mann mit den blutigen Händen“ ist er am Ende trotzdem gescheitert.
Brigitte Tietzel