Seeluft, Schiffe und eine neue Bibliothek

Hallo zusammen,

eine liebe Kollegin sagt immer „man sitzt insgesamt viel zu selten am Meer“. Da ist was dran. Vielleicht haben es einige hier ja schon mitbekommen, ich interessiere mich, neben Motorsport, Flugzeugen, Eisenbahnen und dem Radeln auch für die Seefahrt und Schiffe. Der Feiertag gestern bot sich also für eine kleine Tour ans Meer an. Ich war in Walsoorden, Terneuzen, Vlissingen und Zoutelande. Wer sich für nicht für Schiffe oder leckeren Kibbeling interessiert, aber was über die, noch recht neue, Bibliothek in Vlissingen lesen möchte, sollte ab jetzt runter scrollen 😉 Ach ja, natürlich nicht ohne die Info, dass weder ich, noch die Mediothek für diesen Artikel bezahlt oder beauftragt wurde.

Interessante Schiffe auf der Schelde

Die Westerschelde ist die etwa 80 Kilometer lange Zufahrt in den Hafen der belgischen Stadt Antwerpen. Gemessen am Frachtaufkommen ist das der zweitgrößte Hafen Europas, hinter dem Spitzenreiter Rotterdam. Mein erstes Ziel sollte eigentlich das kleine Dörfchen Griete sein. Es liegt direkt an der Schelde und die großen Schiffen fahren einem fast über den Fuß. Als Fotograf ist es auch nicht unwichtig, dass man dort Vormittags die Sonne im Rücken hat und so schöne Bilder machen kann. Los ging es sehr früh in Krefeld, die Stadt schlief noch als ich mich gegen 5.30h auf den Weg machte. Über Venlo und Eindhoven ging es dann nach Belgien hinein. Über die Qualität der einen oder anderen belgischen Autobahn sage ich mal nichts, nur so viel….wenn Du im Auto fährst, merkst Du, wenn du die Niederlande verlässt….und das ganz ohne Grenzübergang ;).

Mit der App „Marinetraffic“ schaute ich bei einem kurzen Stopp mal, ob mich interessante Schiffe erwarteten und sah, dass die „CMA CGM Turquoise“ unterwegs war. Allerdings sah ich auch, dass ich es nicht mehr bis Griete schaffen sollte, also steuerte ich das, etwas näher an Antwerpen gelegene Walsoorden an. Eigentlich erst ab dem frühen Nachmittag eine schöne Fotostelle, sollte es gestern aber trotzdem mit dem Licht einigermaßen passen, es war nämlich noch recht bewölkt. Und so kam der erwartete Containerfrachter dann auch nahezu zeitgleich mit mir an.

Knappe 260 Meter lang, etwa 32 Meter breit und 9 Jahre alt kam dieses Schiff gestern Morgen aus Douala nach Antwerpen. Die größte Stadt Kameruns gilt als Verkehrsknotenpunkt des Landes und die lange Reise der Schiffes war etwa zwei Stunden nach meinem Foto nach etwas über 13 Tagen an ihrem Ende. Es sind genau solche Infos, die das Hobby für mich so spannend machen. Was fährt dort von wo nach wo, wie lange, welche Geschichte hat so ein Schiff. Nun ja. Von Walsoorden aus habe ich mich dann nach Terneuzen aufgemacht.

Auf dem Weg dorthin konnte ich, allerdings hinter dem Deich fahrend, einen Blick auf die NYK Eagle werfen. Das 2016 in Japan gebaute Schiff hat Platz für über 14.000 Container und ist knappe 365 Meter lang. Gestern Morgen ist es in Antwerpen ausgelaufen, aktuell liegt es in Le Havre in Frankreich.

In Terneuzen angekommen, das liegt direkt gegenüber von Vlissingen, habe ich es mir dann gemütlich gemacht, mich auf den Deich gesetzt und Schiffe geguckt. Mittlerweile war auch die Sonne voll draußen und man konnte es wirklich genießen. Als ich gesehen habe, dass die „Elbfeeder“ so schön grün ist, dachte ich, das passt ja zum Ziel, sie ist nämlich unterwegs nach Dublin. Aber die, 2004 gegründete, Elbdeich Reederei, der das Schiff gehört, hat als Hauptfarbe grün. Es war also wohl Zufall ;).

Es gibt schon ziemliche viele verschiedene Typen Schiffe, wer weiß, vielleicht, wenn Euch dieser Bericht hier gefallen hat, poste ich in Zukunft vielleicht noch mal was zum Thema, aber heute soll es auch nicht zu viel werden. Einen, wenngleich ziemlich hässlichen, interessanten Schiffstyp habe ich aber noch für Euch. Die Autotransporter. Hübsch sind sie wahrlich nicht, in der Schiffsfotografenszene spricht man auch oft vom „Schuhkarton“. Hübsch vielleicht nicht, aber praktisch sind sie. Die in den USA registrierte und bereits 1996 gebaute Honor kam gestern Morgen aus Galveston. Ob sie Autos gebracht hat, weiß ich nicht, sehr zum Ärger eines gewissen US Präsidenten wird sie aber europäische Autos mitnehmen, wenn sie zurückfährt. Ich wünsche ihr auf jeden Fall eine sichere Überfahrt, ohne Zwischenfälle. Die Gute hat da leider Erfahrung, im Februar letzten Jahres gab es ein Feuer an Bord, als sie durch den Ärmelkanal fuhr. Verletzt wurde glücklicherweise niemand, aber die laut Untersuchungsbericht des NTSB (amerikanische Transportbehörde) belief sich der Schaden auf 699.414 Dollar….jetzt ja auch kein Schnäppchen.

Nach etlichen Schiffen und einer Menge Seeluft habe ich mich dann so langsam auf in Richtung Vlissingen gemacht. Zum einen hatte ich langsam Hunger, dann wollte ich mir die neue Bibliothek dort ansehen und auf Marinetraffic tauchte ein Schiff auf, das ich so gar nicht auf dem Schirm hatte….mit dem Ziel: Vlissingen.

Ganz in der Nähe der Fotostelle beginnt auch die Abfahrt in den Westerscheldetunnel. Über 6 Kilometer lang führt er bis zu 60 Meter unter der Wasseroberfläche unter der Schelde hindurch. Der Tunnel ist Mautpflichtig und kostet für einen normalen PKW 5 Euro. Im Gegensatz zu manch anderem Tunnel, den ich schon durchfahren habe, fühle ich mich hier sehr sicher, was zum einen am durchgehenden Handyempfang, aber auch an den breiten Spuren und guten Beleuchtung liegt.

Völkerfreundschaft und die Andrea Doria

Ich sagte ja vorhin schon mal, dass mich oftmals die Geschichte hinter einem Schiff interessiert. Nun, gestern konnte ich die Astoria fotografieren. Nicht zuletzt deshalb beeilte ich mich durch den Tunnel zu kommen. Die Astoria ist das aktuell älteste Kreuzfahrtschiff der Welt, immerhin Baujahr 1946!. Berühmt berüchtigt wurde sie, als sie, damals hieß sie noch Stockholm, die Andrea Doria rammte, welche daraufhin sank. Überhaupt hat das Schiff eine spannende Historie, es war schon Asybewerberunterkunft, fuhr als Urlaubsschiff Völkerfreundschaft in der DDR, gelangte unversehrt durch die Seeblockade der USA vor Kuba in den 60ern und und und. Und dann war sie eigentlich für den Abwracker vorgesehen und eigentlich schon so gut wie zu Dosen verarbeitet. Jetzt hat sich aber eine britische Reederei gefunden, die das Schiff in der Saison 2019 wieder einsetzten will. Tolle Geschichte und ein stolzes Schiff.

Mein mittlerweile gewachsener Heißhunger führte mich nach Zoutelande. In einem der, für diese Region so typischen, Strandpavillons hab ich mir dann den obligaten Kibbeling mit Fritten gegönnt. Ganz ehrlich Leute, in einem, vom Wind umbrausten, Pavillon, mit Blick aufs Meer zu sitzen, ein bisschen zu lesen und dabei frischen Fisch mit Fritten zu essen….das ist ganz nah dran am Paradies 😉

Auf dem Weg zurück nach Vlissingen in die Bibliothek kam ich an einer großen, wirklich großen Pfütze vorbei. Kennt ihr das, wenn dieses Infantile, dieses innere Kind raus muss? Es ist albern, überflüssig, bringt nix und alle anderen halten dich für bekloppt….aber verdammte Axt, es macht einen Mordsspaß 😉

Weniger Bücher, mehr Raum für die Menschen

In irgendeinem Bibliotheksblatt hatte ich gelesen, dass es in Vlissingen rund um das Thema Bibliothek hoch her gegangen ist. Ich kannte die alte Bibliothek an der Spruistraat, die Einrichtung fand ich damals schon klasse und auch das Konzept hinter der Bibliothek passte für mich. Aber, ganz ähnlich wie bei uns in Deutschland, gab es wohl weniger Geld und die Bibliothek musste sich radikal verkleinern. Wer sich in Vlissingen auskennt, die neue Bibliothek befindet sich jetzt direkt am Kino. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und die Bibliothek hat ihren Bestand radikal verkleinert. Von 50.000 Büchern sind gerade 20.000 geblieben.

Die Öffnungsstunden wurde ausgedehnt, das Haus ist jeden Tag, auch Sonntags, von 10 bis 22 Uhr zugänglich, allerdings nicht permanent mit Bibliothekspersonal besetzt. Apropos Personal, waren es bei den Medien mehr als die Hälfte, waren es bei den Personalstellen genau die Hälfte, die auf der Strecke geblieben sind. Die Niederländer fahren allerdings auch ein etwas anderes Bibliothekskonzept als wir hier in Deutschland.

Die Idee, den Medienbestand zu reduzieren finde ich sehr gut, übrigens ist die Entleihzahl in Vlissingen nur um 8 Prozent gesunken, obwohl (oder gerade weil?) man den Buchbestand so drastisch gesenkt hat. Einen ganz ähnlichen Effekt hatte ich mir damals in Malmö und Aarhus auch schon beschreiben lassen.
Die Idee, Personal zu reduzieren finde ich allerdings falsch. Vergleiche ich das mal mit unserem Haus hier, wir brauchen jede Frau und jeden Mann, bieten wir doch neben dem Bibliotheksklassiker „Ausleihe“ manigfaltige Services, die man nur mit gut ausgebildetem, motiviertem und fair bezahltem Personal darstellen kann. MINT, Gaming, Recherchetrainings, SocialMedia, Leseförderung, Veranstaltungsarbeit, Kooperationen, Vernetzungen und vieles mehr. Aber, back to topic. Die neue Bibliothek ist anders eingerichtet, es geht, auch da folgen die Vlissinger einem Trend, um den Aufenthalt. Weniger Medien heißt mehr Platz für Menschen.

Es heißt aber nicht, weniger Engagement für das Buch. Nach wie vor ist es eine Hauptaufgabe von öffentlichen Bibliotheken, auch denen in den Niederlanden, die Begeisterung für das Lesen zu wecken. In Vlissingen tut man das mit dem klassischen Buch, aber auch mit Tablets und PCs. Das Ambiente dort ist aber schon ziemlich cool. Es gibt Themenbereiche, die dann sehr individuell gestaltet sind. Der Gruselbus zum Beispiel ist auf jeden Fall ein Hingucker.

…und hey, wer sich ein Flugzeug unter die Decke hängt, hat bei mir eh gewonnen 😉

Direkt im Eingangsbereich hat man dieses Lesezimmer eingerichtet, was soll ich sagen, auch wenn ich ein großer Fan unserer klaren Linien und der Architektur der Mediothek bin, das hier hat auf jeden Fall auch was. Und, es muss sich ja gar nicht widersprechen, solche „Räume“ einzurichten geht ja sicherlich auch in einer modernen Architektur.

Nach vielen Gesprächen, vielen Schiffen, viel Sonne und leckerem Fisch habe ich mich nach einem tollen Tag am Meer wieder auf den Rückweg gemacht.
Mein Fazit: Es hat sich gelohnt. Falls ihr Euch für die Fotostellen der Schiffe interessiert, ruhig in die Kommentare schreiben, dann schicke ich Euch die Koordinaten zu. Wenn es sonst irgendwelche Fragen gibt, nur keine falsche Scheu.

In diesem Sinne, man sitzt insgesamt zu wenig am Meer, das stimmt…aber ab und an muss man es einfach möglich machen. Es lädt den Akku wieder auf.

Euer Martin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3 Gedanken zu „Seeluft, Schiffe und eine neue Bibliothek

  1. Vlissingen ist immer eine Reise wert!
    Und ein Flugzeug hing in meinem Klassenraum schon vor 10 Jahren (mit herzlichem Dankeschön an den Modellflugverein Fischeln, der mir das Riesenteil (leider ohne Motor) überlassen hatte.
    Im Hafen gibt es auch lecker Fisch – mal ohne Pommes :-))

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