Tietzels Tipp: Das Mädchen aus Brooklyn von Guillaume Musso

Musso ist augenblicklich einer der beliebtesten Krimiautoren Frankreichs. Er schreibt flüssig und spannend, und man liest ihn gern, auch wenn die ganze Geschichte ziemlich an den Haaren herbeigezogen und teilweise sehr unglaubwürdig ist. Trotzdem folgt man dem Geschehen einigermaßen gefesselt.

         Raphael liebt Anna, eine Ärztin. Die beiden kennen sich erst ein halbes Jahr und wollen in drei Wochen heiraten. Da fällt Raphael an einem Erholungs-wochenende in Südfrankreich – die Stimmung ist gelöst und wunderbar – ein, dass er eigentlich gar nichts über die Vergangenheit seiner Zukünftigen weiß. Auf Fragen weicht Anna aus, er bohrt nach und bohrt und bohrt. Da zeigt sie ihm auf ihrem Tablet ein Foto dreier verkohlter Leichen und erklärt, das habe sie getan. Entsetzt stürzt Raphael davon, und als er sich wenig später besinnt und zu Anna zurückkehrt, um nachzufragen, was denn passiert sei, ist die Frau verschwunden. Sie meldet sich auch nicht mehr auf ihrem Handy. Raphael kehrt nach Paris zurück, sucht Anna in ihrer Wohnung auf, findet sie aber nicht. Anna bleibt verschwunden.

          Marc, Raphaels bester Freund und ehemaliger Elitepolizist im Ruhestand, hilft ihm bei den folgenden Ermittlungen. Der Leser ahnt natürlich, dass die sympathische Anna nie und nimmer etwas so Schreckliches getan haben kann, wie das Foto vermuten lässt. Es stellt sich heraus, dass Anna eine falsche Identität angenommen hat. Die beiden Männer finden auch heraus, wer sie wirklich ist, nämlich Amerikanerin (aha, das hat Raphael nicht gemerkt?), die vor mehr als zehn Jahren von einem Kriminellen in Frankreich entführt und gefangen gehalten wurde. Nachdem man den Kerl zusammen mit drei weiteren Mädchen, die sich in seiner Gewalt befanden, in seinem brennenden Versteck als Leichen aufgefunden hatte, galt Anna, alias Claire Carlyle, deren DNA man dort ebenfalls gefunden hatte, als tot. Wie es nun dieser Claire gelungen ist, sich zu befreien, wie sie sich ein neues Leben aufbauen konnte, wer alles hinter ihrem neuerlichen Verschwinden steckt, das ist ebenso kompliziert und weitreichend, wie  gut erzählt.

         Marc, der ehemalige Polizist ermittelt in Frankreich, während Raphael die Tanten von Claire in New York aufsucht. Claires Mutter Joyce war kurz nach der Entführung ihrer Tochter an einer Überdosis Heroin gestorben, eine Journalistin, mit der Joyce kurz vor ihrem Tod Kontakt hatte, kam bei einem Fallschirmunfall ums Leben, kurz eine verzweigte, merkwürdige Geschichte, die bis in die höchsten Gesellschaftskreise reicht. Wie gesagt, an den Haaren herbei gezogen, wie auch die Auflösungen, die auf Zufällen und Unwahrscheinlichkeiten beruhen, dass einem das Gehirn schmelzen möchte. Und es geht bis zum Schluss mit immer noch fürchterlicheren Entdeckungen weiter. Aber das macht eigentlich überhaupt nichts. Hier soll ja nicht die Wirklichkeit verhandelt werden. Obwohl Musso ambitioniert literarische Zitate in den Text einstreut und den Kapiteln voran setzt, ist seine Sprache einfach und gut verständlich. Spannende Unterhaltung.

                                                                                              Brigitte Tietzel

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