Tietzels Tipp: Tochter des Geldes von Eveline Hasler

Die Sprache dieser ansonsten interessanten Biographie ist ein bisschen spröde. Und mit dem Untertitel „reichste Revolutionärin Europas“ bin ich auch nicht besonders glücklich. Denn diese Frau, deren Vater, ein legendärer Schweizer Uhrmacher, der den russischen Zaren von seinen Produkten so überzeugt hatte, dass er mit seiner Uhrenfabrik in Russland unermesslich reich wurde, lebte trotzt allem den größten Teil ihres Lebens in Armut. Als der Vater starb, war Mentona erst vier Tage alt. Die Mutter war egozentrisch, lieblos, hartherzig, kalt und geizig. Sie lebte mit ihren Kindern auf einem Schloss im Zürichsee, schmückte sich mit Adelstiteln, die ihr nicht zustanden, und war eine der ersten Hysteriepatientinnen von Sigmund Freud.

Nach einem heftigen Streit mit ihrer Mutter als Mentona 17 Jahre alt war, wurde sie in ein Mädchenpensionat nach England geschickt. Die schrecklichen Verhältnisse in den Londoner Slums, bewegten Mentona, sich um diese Menschen, vor allem um die Kinder zu kümmern. Zurück in Zürich engagierte sie sich weiterhin im sozialen Bereich, wobei sie ihren späteren Mann, Hermann Balsinger kennen lernte, mit dem sie zwei Kinder hatte. Der Sohn, Edi, war jedoch krank und sollte lebenslang eine schwache körperliche Behinderung behalten. Balsinger wird seine Frau wenig später verlassen.

Als die Mutter ihr im Ersten Weltkrieg die finanzielle Unterstützung aufkündigte, waren es Freunde aus der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz, die der nun allein Erziehenden halfen. Bei den Kommunisten, denen sie seit 1921 angehörte, begegnete Mentona Lenin und lernte Fritz Platten kennen. Platten begleitete Lenin zurück nach Russland und rettete ihm bei einem Attentat das Leben. Er war es auch, der Mentona nach Russland brachte, wo sie im Kreml eine der berühmten Moser Uhren ihres Vaters sah.

Mit dem geerbten Geld ihrer 1925 verstorbenen Mutter errichtete sie ein Waisenhaus in der Nähe von Moskau. Eine zeitlang brachte ihr die Arbeit mit Fritz Platten an diesem Waisenhaus große Befriedigung. Aber die Verhältnisse unter Stalin, die man zunächst als „Anfangsschwierigkeiten“ angesehen hatte, wurden schließlich so unerträglich, dass Mentona Russland verließ.

In Berlin arbeitete sie weiterhin für die Kommunistische Partei, unter anderem in einem proletarischen Buchladen. Sie finanzierte Schallplatten mit Hanns Eisler und übernahm in den Jahren der Nazi-Herrschaft konspirative Arbeiten für die Partei und half bedrohten Parteigenossen.  Als die Situation immer gefährlicher wurde, schickte man sie jedoch zurück in die Schweiz. 1950 forderte Wilhelm Pieck, Präsident der DDR, sie auf, Bürgerin des neuen Staates zu werden. Im Pionierheim in Berlin-Köpenick verlebte Mentona Moser hoch geachtet ihre letzen Lebensjahre. Sie starb 1971, 97-jährig.

Brigitte Tietzel

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