TietzelsTipp: Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47 von Jörg Magenau

Jörg Magenau, Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47

Man hat es damals nicht so richtig mitbekommen, und die Jüngeren unter uns kennen die Gruppe 47 vielleicht gar nicht mehr: den Zusammenschluss eher links orientierter Schriftsteller, die nach dem Krieg, 1947 eben, ein Zeichen setzen wollten. Wie Hans Werner Richter, der „Anführer“ der Gruppe, derjenige, der zu den jährlichen Treffen einlud, es einmal formulierte „auf keinen Fall dürfen die Fehler (i. e. der Nazizeit) wiederholt werden.“ Es war aber niemals eine geschlossene Gruppe, sonder es war das feiwillige Miteinander sehr unterschiedlicher Individuen, die sich als Literaten oder als Kritiker für eine neue Literatur in Deutschland und damit im Grunde für eine neue Gesellschaft verantwortlich fühlten. Siegfried Lenz, Martin Walser, Walter Jens, Heinrich Böll, Hans Magnus Enzensberger, Günter Grass, Uwe Johnson waren wichtige Namen oder Marcel Reich-Ranitzki, Hans Mayer und Hellmuth Karasek als Kritiker.

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Bei den Treffen wurde nach Aufforderung von Richter (und nur von Richter) gelesen, und dann wurde der Text kommentiert – gelobt, verrissen, was auch immer. Nur der Text, nicht der Autor (der schweigend zuhören musste), nicht irgendwelche grundsätzlichen Ideen. 1966 traf sich die Gruppe auf Einladung durch die Amerikaner in Princeton, und Jörg Magenau beschreibt dieses Treffen, als wäre er selber dabei gewesen, so locker und mit leichter Hand, so voller Ironie und geradezu entwaffnender Beschreibung all der vielen Befindlichkeiten, Ängste, Eifersüchteleien, dass man selber zum schadenfrohen Beobachter wird. Das ist meisterhaft und unterhaltsam.

Kaum zu glauben, dass das Häufchen von deutschen Literaten, immerhin 80 an der Zahl, sich in Princeton ganz für sich hielt, kaum den Kontakt zu den amerikanischen Kollegen suchte, so dass man sich fragen lassen musste, warum man sich eigentlich nicht in der Eifel getroffen hätte. Dass man sich mit politischen Statements zurückhalten sollte – nämlich nicht in kritischer Weise zum gerade tobenden Vietnamkrieg Stellung zu nehmen habe –, war eine der Bedingungen für die Einladung von amerikanischer Seite gewesen.

Magenau entlarvt, nicht böse, sondern auf geradezu komische Weise die Wichtigtuerei einer Intelligentia, die im Saft ihrer eigenen Regeln und Bedingungen schmorte und im Grunde nicht frei und offen und aufgeschlossen war, wie sie sich so gern verstanden hätte. Peter Handke stand am Ende der Tagung auf und kritisierte doch grundsätzlich. Er warf den Autoren „Beschreibungsimpotenz“ vor, und Magenau macht deutlich, dass er damit am besten seinen eigenen Text getroffen habe. Für Handke war es der Aufbruch in die Popularität. Kurze Zeit später erfolgte in Frankfurt seine berühmte „Publikumsbeschimpfung“.

Nach Princeton traf sich die Gruppe 47 nur noch einmal. Sie hatte sich überlebt. Die Jugend suchte in der 68er Revolution andere Betätigungsfelder als die Literatur. Magenau ist eine grandiose, humorvolle Analyse gelungen, nicht nur dieses einmaligen Treffens, sondern der Gruppe 47 überhaupt und ihrer Zeit.

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