TietzelsTipp: Houwelandt von John von Düffel

Das ist eine Familiengeschichte der unschönen Art. Jorge und Esther sind im Alter vom Norden Deutschlands nach Spanien gezogen. Jorge „braucht das Meer“, das Wasser ist sein Element. Er geht jeden Morgen schwimmen, Esther sitzt am Strand und wartet auf ihn. Jorge wird bald 80 Jahre alt, und Esther plant ein Fest in Deutschland, zu dem sie die gesamte Familie zusammen zu führen hofft. Aber was ist das für eine Familie?!

Jorge wird mehrfach hoffärtig genannt. Und er ist maßlos stolz. Stolz ist eine der Todsünden. Das scheint er, der Gottsucher, nicht zu bedenken. In geradezu psychopathischer Weise hat er schon als Kind versucht, sich Schmerzen beizufügen, um durch die Überwindung dieses Schmerzes Gott näher zu kommen. Das hat nicht funktioniert, aber er hält sich für stark und verachtet alle Schwächeren. Seine Kinder hat er mit Grausamkeit und Unerbittlichkeit zerstört. Sein Erstgeborener, Thomas, hütet das elterliche Haus, nachdem ihn, den Schwächling und Versager, so sehen es Jorge und Thomas’ eigener Sohn Christian, seine Frau Beate endlich vor die Tür gesetzt hat.

Esther bittet Thomas, die Festrede auf seinen Vater zu halten. Stattdessen schreibt der sich den ganzen unbändigen Hass auf seinen Vater von der Seele. Dabei kommen Dinge zum Vorschein, die man nicht wirklich wissen möchte. Auch die anderen Kinder, die aber im Roman weiter keine Rolle spielen, haben mit dem Vater gebrochen. Niemand will dieses Fest. Was Esther damit bezwecken möchte, ist reichlich unklar, denn sie kann nicht wirklich hoffen, mit so einer Zusammenkunft nach einem verpfuschten Leben als Eltern, die Familie als Familie aufleben zu lassen. Außerdem möchte sie ihre Schwiegertochter, bei der sie das Fest vorbereitet, und ihren Sohn wieder zusammen führen, weil sie nicht glaubt, dass eine Frau, die allein lebt, glücklich sein kann. Dabei erfährt sie, dass es ihr ungeheuer gut tut, einmal nicht für Jorge da sein zu müssen, ja sie erlebt ein Gefühl von nie gekannter Freiheit.

Als Christian das Manuskript seines Vaters liest und versteht, warum dieser geworden ist, was er ist, möchte er noch in derselben Nacht nach Spanien reisen um den Großvater zur Rede zu stellen. Dazu kommt es nicht. In einem Gespräch mit seiner Oma, die er wie den Großvater kaum kennt, bekennt diese plötzlich, dass sie nicht mehr nach Spanien zurück, dass sie Jorge verlassen will. Es kommt anders. Jorge stirbt zwei Tage vor seinem Geburtstag, Oma und Enkel sitzen noch an seinem Sterbebett. Bei dem Begräbnis, das nun tatsächlich alle Familienmitglieder zusammenführt, hält Christian eine versöhnliche Rede, bedauert, dass er den Großvater nicht näher habe kennenlernen dürfen. Als Grabrede mag das durchgehen, nach dem Motto: De mortuis nil nisi bene. Aber die Grausamkeiten, die Jorge und Esther ihren Kindern angetan haben, Esther, weil sie passiv alles geduldet hat, sind damit nicht aus der Welt. Die Andeutung, dass Thomas sich ändern könnte, ja dass seine Ehe mit Beate zu kitten wäre, sind sehr wenig plausibel und können über die Tragödie, die die Familie durch die Hoffärtigkeit des Patriarchen erfahren hat, nicht hinwegtrösten.

Brigitte Tietzel

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..