TietzelsTipp: Die Bagage von Monika Helfer

Ein Dorf im Vorarlberg zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Ganz am Ende einer Straße, im letzten Haus, wohnen Josef und Maria Moosbrugger mir ihren vier Kindern. Die Lage des Hauses, weitab vom übrigen Dorf, ist synonym für seine Bewohner. Sie sind die Abseitigen, die Randständigen, wie es heißt, eben die Bagage. Die ganze Verachtung der Bessergestellten für das arme Gesindel liegt in diesem Wort: Bagage. Vielleicht wären diese Menschen für die Dorfgemeinschaft nicht weiter wichtig, würde man über sie hinwegsehen können. Aber über Maria kann niemand hinwegsehen, sie ist zu schön. Sie ist verboten schön. Und deswegen entstehen alle möglichen Gerüchte, nur um den inneren Aufruhr wegen dieser Maria zu beschwichtigen. Auch ihr Mann ist schön, und besonders, und macht seine dubiosen „Geschäftchen“ mit dem Bürgermeister.

Dann bricht der Krieg aus und Josef wird eingezogen. Er empfiehlt seine Familie, insbesondere Maria, dem Schutz und der Aufsicht des Bürgermeisters. Dieser kümmert sich auch rührend um die Familie, bringt ihnen, die sonst nichts haben, regelmäßig zu essen. Josef kommt nach wenigen Monaten für ein paar Tage auf Heimaturlaub. Andere Männer aus dem Dorf sind da längst gefallen. Dann fährt Maria mit dem Bürgermeister auf den Markt in die Stadt und trifft dort zufällig einen Georg aus Hannover. Wenig später steht dieser Georg vor Marias  Tür. Ihr wird klar, dass sie sich verliebt hat. Dass sie diesen Mann irgendwie lieber hat als ihren eigenen. Auch die Kinder fassen Zuneigung zu dem Fremden. Unausgesprochen steht im Raum: sollte der Vater im Krieg bleiben … Aber Georg nimmt Abschied. Dreimal ist er kurz bei Maria gewesen. Was ist dabei geschehen? Nichts ist geschehen. – ? –

Der Bürgermeister legt seine wohlwollende Haltung ab, fordert von Maria dasselbe, was sie diesem Georg erlaubt haben wird. Maria wehrt sich, die Kinder helfen ihr. Als sich herausstellt, dass sie schwanger ist, zerreißt man sich das Maul über sie. Der Pfarrer lässt das Kreuz über der Haustür entfernen. Josef wird das Kind, Grete, niemals beim Namen nennen, niemals auch nur ansehen. Diese Grete ist die Mutter der Autorin, die mit diesem Roman ihrer eigenen Geschichte nachspürt. Sie erzählt, was aus den Menschen, denen der Leser hier begegnet, geworden ist, erzählt, dass noch zwei weitere Kinder nach Grete zur Welt gekommen sind, dass Maria und Josef beide jung gestorben sind und schließlich, dass ihre Tante Kathe, die vom Anfang des Romans an alles miterlebt hat, ihr, der Nichte, ganz am Ende ihres Lebens sagt, was sie von der ganzen Geschichte weiß.

Da es sich um tatsächliche, keine erfundenen Personen  handelt, hat dieser Roman etwas sehr authentisches und muss doch vieles mit literarischem Einfühlungsvermögen ergänzen. So werden Erzählsplitter von Zeitsprüngen unterbrochen. Am Ende liegt ein Hauch von Wehmut über allem, denn kaum eines der Kinder oder Kindeskinder von Josef und Maria hat einen erfolgreichen, glücklichen Weg beschreiten können.

Brigitte Tietzel

Ein Gedanke zu „TietzelsTipp: Die Bagage von Monika Helfer

Hinterlasse eine Antwort zu michaelcarljohanns Antwort abbrechen

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..