Die Autorin ist von der großen Stadt hinaus aufs Land gezogen, in ein brandenburgisches Dorf. Sie möchte ein Gartenbuch schreiben, wobei sie allerdings keine Ahnung vom Gärtnern hat, wie ihre Mutter ihr bestätigt. Aber auf die Mutter, die als Landschaftsarchitektin und leidenschaftliche Gärtnerin genau weiß, wovon sie spricht, will diese Frau nicht hören. Sie will überhaupt auf niemanden hören und macht immer und überall nur das, was sie möchte. Außer der Mutter gibt es noch verschiedene andere Personen in ihrem Leben, das erfährt man nach und nach in kleinen Häppchen. Diese Häppchen sind etwa eine halbe Seite lang, selten länger, und haben jeweils eine Überschrift, damit man weiß, wovon die Rede ist. Also etwa: „Kartoffeln“, oder: „Der Mann“, oder: „Hubschrauber“, oder: „Der Analytiker“, oder: „Die neuen Menschen“, „Der Liebhaber“, „Pastinake“ etc. Das geht das ganze Buch lang so und ist voller unglaublicher, teilweise bizarrer, teilweise komischer, teilweise tiefgründiger Ideen und Überlegungen. Ich fand es bisweilen ein bisschen mühsam, aber dann doch wieder sehr unterhaltsam und auf jeden Fall scharf beobachtet.
Man bekommt so nebenbei mit, dass diese Frau zwar mit einem Mann, der immer nur „der Mann“ genannt wird, zusammenlebt und wohl auch von ihm zwei Kinder hat (obwohl das nicht ganz klar ist), der sie aber nicht heiraten will und stattdessen aus steuerlichen Gründen lieber eine GmbH mit ihr gegründet hat. Sie hat einen Liebhaber (genannt „der Liebhaber“) im Dorf, über dessen Verhältnis zu ihr nicht gesprochen wird, wovon aber offensichtlich jeder weiß, auch der Mann. Sie hat in der Stadt einen Analytiker, mit dem sie schläft. Der schickt ihr ab und zu (man fragt sich, muss man das wissen?) Whatsapps mit Fotos seines erigierten Schwanzes. Sie hat, ebenfalls in der Stadt, eine Therapeutin, die sie für dumm hält und zu der sie immer zu spät kommt. Sie findet eine Künstlerin im Dorf attraktiv, offensichtlich auch sexuell, und sie ist von Gustav, ihrem vierjährigen Sohn, ziemlich überfordert. Alles in allem scheint sie eine wirre, bindungsschwache Person, die alles Mögliche ausprobiert, ohne zu wissen, wohin das alles führen soll. Gleichzeitig stellt sie wunderbare Beobachtungen über andere Stadtmenschen an, die auf das Land kommen „um sich zu finden“; über Irmi und Herrmann, ein ganz rührendes Paar, das voller Zuneigung und Lieben aneinander hängt, auch in schwierigsten Zeiten; über Maulwürfe, Frösche und Pflanzen. Alle Verwirrungen, Unordnungen, kleine und größere Katastrophen werden mit großer Leichtigkeit weggewischt, also irgendwo gedanklich eingeordnet, und dann geht das Leben weiter, und das Buch ist irgendwann aus. Andeutungen, dass der Frau sowohl der Mann als auch der Liebhaber von einer Heilerin abgeworben werden könnten, bleiben Andeutungen.
Brigitte Tietzel