„In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.“ So beginnt dieses Buch, und damit ist eigentlich alles gesagt. Es ist eine jener Coming of Age Geschichten, die sich im Grunde alle gleichen, denn es sind immer dieselben Probleme, die alle jungen Menschen haben. So geht es auch Sam Turner in diesem Buch. Er ist 15, wird in ein paar Wochen 16 Jahre alt, hat keine Freunde und eigentlich Angst vor allem. Seinen Vater kann er nicht leiden, beziehungsweise er versteht ihn nicht und wird nicht schlau aus ihm. Er liebt seine Mutter. Die hat Krebs, und sie wird sterben, aber damit möchte Sam sich lieber nicht befassen, das ist ein zu großes Problem.
Und dann beginnt etwas Neues, und damit kommt Sams Leben in Gang. Er arbeitet in einem Kino und trifft dort auf drei junge Leute, die gerade mit der Schule fertig sind. Nach den Ferien werden sie Grady, den Ort, den sie alle furchtbar finden, endlich verlassen, um auf verschiedene Universitäten zu gehen. Es kommt, wie es kommen muss, nach anfänglichen Schwierigkeiten werden alle vier Freunde und sind unzertrennlich. Das ist sehr gut geschrieben, Sams Stimmung, aus dessen Perspektive wir alles miterleben, ist glaubhaft getroffen. Die Geschichte ist anrührend, und bisweilen möchte man sogar heulen. Was will man mehr an einem verregneten Corona April Nachmittag. Und doch. Mir ist das alles ein bisschen zu viel. In das Mädchen, die eher ausgeflippt Kirstie mit ihrer überbordenden Fantasie verliebt Sam sich natürlich. Und die findet ihn erst nervig, dann immerhin süß, und dann scheint sie ihn wirklich zu mögen. Aber sie ist zwei Jahre älter und das ist in dieser Lebenszeit eine ganze Menge. Cameron ist Sohn eines sehr reichen Vaters. Und er ist schwul. Und Brandon ist schwarz und wird nur deswegen nicht rassistisch angegriffen, weil er groß und stark und ein so ausgezeichneter Sportler ist. Da ist also von jedem etwas dabei. Dann stirbt die Mutter, und das ist wirklich herzzerreißend. Aber dann wird die verständliche Trauer um die Mutter doch ziemlich ausgewalzt.
Während die anderen nach den Ferien also schließlich die Stadt verlassen, fällt Sam sozusagen in seine alten Fehler zurück. Er muss in der Klasse, wie alle in seinem Jahrgang, einen Aufsatz über das poetische Werk des einzigen Schriftstellers aus Grady schreiben, Hard Land. Und da geht es um dieselbe Geschichte, das Coming of Age, das Erwachsenwerden. Und das wird dann auch noch mal ziemlich ausgebreitet. Andere Sentimentalitäten stören mich auch ein bisschen. Der schwule Cameron widersetzt sich seinem Vater, bleibt in Grady und übernimmt einen Laden, der als Treffpunkt für die jungen Leute wichtig ist und geschlossen werden soll. Und der Vater akzeptiert das (?). Die Schwierigkeiten mit Sams Vater wiederum haben ihren Ursprung in dessen eigener schwierigen Kindheit. Man redet darüber und schon kann alles besser werden. Zum Schluss kommt auch noch Kirstie für 14 Tage zurück nach Grady und wird, der Logik der Geschichte folgend, Sam helfen, wenigstens in einem ganz wichtigen Punkt zum Mann zu werden. Flott geschrieben, sehr gut zu lesen, mit allen Vorbehalten gegen eine allzu heile Welt.
Brigitte Tietzel