Antonio Skarmeta, Das Mädchen mit der Posaune
In den 40er Jahren übergibt ein Straßenmusikant, ein Posaunist, die noch sehr kleine Magdalena in einer chilenischen Kleinstadt einem Einwanderer aus Malizien, Stefano Coppeta, den sie fortan ihren Großvater nennen wird. Danach spielt die Posaune weiter keine Rolle mehr.
Malizien oder auch die Insel Gema, von der sowohl Coppeta als auch Magdalena stammen sollen, sind eine Erfindung des Autors. Es liegt aber nahe, darin Kroatien zu erkennen, das Land, aus dem es auch den Autor nach Chile verschlagen hat. Was genau in diesem fernen Land geschehen ist – der Krieg wird erwähnt, die Nazis, der Heldentod von Magdalenas Vater – bleibt vage. Wohl scheint der Großvater sein ganzes Leben lang der Vergangenheit und insbesondere einer großen Liebe nachzutrauern, Alia Emar Coppeta, die auch für Magdalena als unbekannte Sehnsuchtsfigur einer Großmutter in ihrem Kopf herumspukt.
Eines Tages, nachdem der geliebte Großvater gestorben ist, gibt Magdalena ihren Namen auf und nennt sich fortan nach dieser Großmutter Alia Emar. Aber man begreift schnell, dass solche Ideen nur dazu da sind, das Leben erträglicher oder, positiver ausgedrückt, das Leben lebenswert zu machen. Alia Emar, die es übernimmt, ihre Geschichte hier selber zu erzählen, hat den Kopf voller Phantasien und Hirngespinste, voller Wünsche und Träume, die durch den wöchentlichen Besuch aller Filme, die in der Kleinstadt gezeigt werden, reichlich Nahrung finden. Mit ihren Spielgefährten stellt sie jeden dieser Filme nach. Sie kennt alle Filmschauspieler, alle Regisseure. Und sie träumt sich aus der Langeweile ihrer Kleinstadt weg nach New York, dem Ziel aller Träume. Alia Emars Welt als Kind, als Pubertierende, als junge Erwachsene ist randvoll angefüllt mit ihrer unglaublichen Phantasie und ihrer Lebensfreude, ihrem Mut und ihrer Stärke, sich gegen die wenigen Erwachsenen zur Wehr zu setzen, die ihr etwas zu sagen haben. Aber auch wenn sie bisweilen extrem erscheint indem was sie will und was sie tut, wird doch schließlich alles gebändigt durch ihren gesunden Menschenverstand und ihren Pragmatismus. Ein Leben von einer Schnelligkeit und Intensität, dass man sich fragt, was sie eigentlich in New York will, da kann es auch nicht interessanter sein. Durchmischt ist das Ganze mit politischen Aktionen, die Alia Emar mit dem Präsidentschaftsanwärter (und späteren Präsidenten) Salvador Allende zusammenführt.
Dass Alia Emar sich trotz der Ungewissheit ihrer Herkunft, die nie aufgeklärt wird und schließlich ihre Einreise in die USA verhindert, sich in Chile geborgen und zu Hause fühlt, ist eigentlich immer klar, auch wenn sie unterschiedliche Aktivitäten unternimmt, diesem Land zu entkommen. Das Feuerwerk ihrer Suche nach dem Leben endet, als sie die Liebe zu einem alten Schulfreund erfährt, mit dem sie einen Sohn bekommt. Auf eine wohltuend ruhige Art ist sie am Ende des Buches bei sich angekommen. Humorvoll, gefühlvoll, mitreißend geschrieben.
Das ist wunderbar beschrieben. Das werde ich als nächstes lesen. Danke..